Direkt zum Inhalt

Griechische und römische Antike

Die Allegorie zweier ineinanderliegender rechter Hände findet sich bereits in der antiken griechischen und römischen Kultur. Der Handschlag steht für Concordia. Sie ist die Personifikation der Eintracht in der römischen Mythologie, respektive der Omonoia in der griechischen Mythologie. Der römischen Vorstellung nach fördert und erhält sie die Einigkeit, Brüderlichkeit und Verbundenheit der Bürger Roms. Sinnbildlich für das Einverständnis des vollzogenen Handels wurde das Symbol des Handschlags auf Münzen geprägt (Abb. 01). Diese Konsekrationsmünze liess Mark Aurel, Adoptivsohn und Nachfolger von Antoninus Pius, nach dessen Divinisierung prägen. Unter Antoninus Pius erlebte das Römische Reich seine letzte längere Friedensperiode.

Abbildung 1

Abb. 01: Kollektion TN: Römisch, AR Denarius, Antoninus Pius, 161-180 n. Chr. Die «Revers», Rückseite der Münze, zeigt zwei ineinanderliegende rechte Hände als Symbol der Eintracht mit Caduceus, dem Merkurstab als Sinnbild des Handels, und Kornähren als Emblem für die kaiserliche Freigiebigkeit. 

Der Abschluss eines Geschäftsvertrags wurde bei den Römern mit einem Handschlag, der dextrarum iunctio, auf Deutsch soviel wie Verbindung der rechten Hände, besiegelt. Gerne tauschten die Geschäftspartner als Bestätigung über die Einhaltung des Vertrages einen Ring mit ineinanderliegenden rechten Händen aus, einen Fede-Ring. Der Begriff "Fede-Ring" wurde übrigens erst rückblickend, seit dem 19. Jahrhundert verwendet, und zwar von den damaligen Schmucksammlern (Abb. 02).

Abbildung 2

Abb. 02: Kollektion TN: Römisch, 3. Jh. n. Chr., Silber. Die Hände sind weder charakteristisch ausgearbeitet, noch mit persönlichen Attributen versehen. Sie wirken stilisiert wie ein Piktogramm, was eher auf einen Vertragsabschluss-, als auf einen Freundschaftsring hindeutet.

Bald stand das Sinnbild der dextrarum iunctio per se für eine rechtmässige Vereinigung gleich welcher Art. Auch die Heirat galt bei den Römern als legaler Vertrag. Die vereinigten rechten Hände sind hier als Treuezeichen und als Einverständnis zu deuten. Es war Brauch, am Tag vor der Hochzeit der Braut einen Ring mit zwei verschlungenen rechten Händen zu schenken. Diesen trug sie seitdem am Ringfinger der linken Hand. Die feierliche symbolische Geste zeigte das gegenseitige Einvernehmen der beiden Familien der Ehepartner und besiegelte das Versprechen auf die Ehe. Am Hochzeitstag selber wurden die beiden rechten Hände der Brautleute in einem festlichen Akt mit einem Schal verbunden.  
Somit wurde der Handschlag von der geschäftlich neutralen dextrarum iunctio zur persönlich hoch emotionalen mani in fide, auf Deutsch soviel wie Hände im Glauben, im Vertrauen. Der Fede-Ring wird zum beliebten unverkennbaren Symbol, welches ein Eheversprechen oder ein Freundschaftsbündnis bekräftigt und dieses sichtbar macht. In diesem Sinne wollte wohl auch Ovid um 16 v. Chr. seine Schwärmerei für die schöne Corinna dingfest machen, als er ein Gedicht in seinen Amores ganz dem Ring widmete: "Ring, der du bald schon den Finger des reizendsten Mädchens umschliessest, dessen alleiniger Wert die Liebe des Gebers nur ist." (Elegien der Liebe, II, 15.) 

Laut Plinius dem Älteren handelte es sich beim ursprünglichen römischen Verlobungs- und Ehering, dem annulus pronubus, um einen schlichten bescheidenen Ring aus Eisen. In seiner Naturalis Historia schrieb er um 50 n. Chr.: "Auch diejenigen, die anlässlich einer Botschaft goldene Ringe erhalten hatten, trugen sie nur in der Öffentlichkeit und nahmen den eisernen Ring in ihren Häusern wieder auf. In Anlehnung an diesen Brauch wird auch heute noch einer Verlobten ein eiserner Ring als Geschenk zugeschickt, und zwar ohne Stein darin." (Naturalis Historia, XXXIII, 4.) 
Wer es sich leisten konnte, entschied sich aber spätestens seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. für wertvollere Metalle und Legierungen, wobei Gold das Nonplusultra war. Auch auf Edel-, Schmuck- oder Glassteine wollte der Römer nicht mehr verzichten. Sehr beliebt war der orange-rote Karneol, eine Varietät des Achats. Die ineinanderliegenden rechten Hände wurden in Gemmen vertieft geschnitten, sogenannte Intaglien, oder als erhabenes Relief gefertigt, sogenannte Kameen (Abb. 03).

Abbildung 3

Abb. 03: Kollektion TN: Römisch, ca. 2. Jh. n. Chr., Bronze mit Karneol-Intaglio und Silber mit Karneol-Intaglio.

Die Ehe im alten Rom war eine streng monogame Institution. Ein römischer Bürger konnte per Gesetz nur einen Ehepartner gleichzeitig haben. Die Praxis der Monogamie unterschied die Griechen und Römer von anderen antiken Zivilisationen, in denen der führende Mann typischerweise mehrere Frauen hatte. Konstantin der Grosse leitete im Jahr 313 mit der Einführung der Religionsfreiheit den Aufstieg des Christentums zur wichtigsten Religion im Imperium Romanum ein. Die Doktrin der Monogamie übernahmen die frühen Christen von den alten Römern. Die Autoritäten der frühchristlichen Kirche anerkannten den Fede-Ring als Zeichen für ein Ehebündnis vor Gott.  
Mit dieser liturgischen Legitimierung werden die mani in fide vom römischen Sinnbild eines auflösbaren weltlichen Vertrags in einen religiös spirituellen Kontext gestellt. Allerdings gerieten die profanen ineinanderliegenden Hände im Byzantinischen Reich etwas aus der Mode. Kunst und Kultur wurden mehr und mehr durch die christliche Kirche und deren Motive und Symbole wie Kreuz und Heiligenportraits geprägt. Nichtsdestotrotz hat der Fede-Ring eine lange Zukunft vor sich!

×