Im späteren Mittelalter begannen sich die Gold- und Silberschmiede wieder vermehrt für die vereinigten rechten Hände zu interessieren. Das Fede-Symbol wurde Bild für die höfische Liebe, die Minne: Die verzehrende, unerfüllte Liebe eines höfischen Ritters zu einer meist verheirateten, höhergestellten Frau. Insbesondere am Hof der Eleonore von Aquitanien im 12. Jahrhundert fanden die mani in fede (von nun an in italienischer Form geschrieben) grossen Gefallen. Die Herzogin war eine der einflussreichsten Frauen des Mittelalters, durch Heirat erst Königin von Frankreich, danach Königin von England. Sie prägte mit ihrer Ästhetik und ihrem Geschmack nicht nur ihre beiden Höfe mitsamt deren Ländern, sondern etwas zeitversetzt auch das Heilige Römische Reich.
Wie die deutsche Lyrik des Mittelalters zeigt, standen an den Höfen der Staufer die adligen deutschen Minnesänger mit ihren Liebesdichtungen den französischen Troubadours und Trouvères in nichts nach (Abb. 04).
Abb. 04: Ausschnitte aus der Manessischen Liederhandschrift, um 1300. Autorbild Johannes Hadlaubs und Herr Berngers von Horheim. Die mani in fede waren an den französischen, englischen und römisch-deutschen Höfen sehr beliebt. Aufgrund seines treuen Wesens wurde der Hund zum Sinnbild für Treue und für "treu ergeben".
Mit dem Fede-Ring drückte nicht nur der Hochadelige seine leidenschaftliche Liebe und Zuneigung aus, auch der weniger Begüterte wollte nicht auf diesen Liebesbeweis verzichten. Übrigens verschenkten die Edelfrauen genauso gerne Ringe an die Edelmänner wie umgekehrt. Walther von der Vogelweide thematisierte die Liebe zwischen einem Minnesänger und einer jungen Frau, die im mittelalterlichen Ständesystem unter seinem Stand war: "Du bist schön und hast genug: Was können sie mir dazu sagen? Was auch sie sagen, ich bin Dir hold, und nehme Dein gläsern Ringlein für das Gold einer Königin." (Herzeliebes vrouwelin, L 49, 25.) Offenbar kritisierten die Freunde des Ritters seine "unstandesgemässe" Liebe. Doch die Schönheit der jungen Frau war ihm wert genug, und ihren gläsernen Ring, wohl ein Bronzering mit einem Glasstein als Ringkopf, schätzte er gleich hoch wie den Goldring einer Königin. Während im Heilig Römischen Reich bis etwa Mitte des 14. Jahrhunderts Schmuck den kirchlichen Würdenträgern und dem Adel vorbehalten blieb, also hauptsächlich für die geistliche und weltliche Macht erzeugt wurde, erstarkte um 1350 das Bürgertum. Die zu Wohlstand gekommenen Berufsstände wie Kaufleute, Tuchhändler, Geldwechsler, Goldschmiede und Salzleute begannen sich zu schmücken. Damit sich nun die bürgerlichen "Emporkömmlinge" dem Adel nicht gleichstellen konnten, wurden im ständeorientierten Spätmittelalter Kleiderordnungen und Gesetze zum Tragen von Schmuck erlassen, welche die einzelnen Stände deutlich voneinander abgrenzten.
Wie bei den Römern waren die ineinandergeschlungenen rechten Hände auch im Mittelalter nicht nur Symbol für Freundschaft, Hochachtung und Liebe, sondern sie waren das Treuezeichen für ein Bündnis, das normalerweise zu einer Ehe führte. Der lateinische Ausdruck mani in fide war bei den antiken Römern das Sinnbild für das Eheversprechen, im mittelalterlichen England tauchte dafür der englische Begriff handfast auf. Der Ritter Thomas Malory schrieb 1469 in seiner Arthus-Epik, die unsere Arthusrezeption bis heute geprägt hat: "And anon he made them handfast, and wedded them." (Le Morthe Darthur, X, 37.)
Handfast, auf Deutsch "handfest", im Mittelhochdeutschen "hantveste", bedeutet in unserem Zusammenhang wohl "dingfest machen, greifbar machen, sichtbar machen". In der Arthus-Legende manifestierte Alisander die Liebe zweier Edelleute und verheiratete sie.
Gestalterisch bildeten die ineinanderliegenden rechten Hände wie beim antik römischen Entwurf meistens den Ringkopf, sind also das dekorative Element oben auf der Ringschiene – und das blieb bis heute so (Abb. 05). Gelegentlich wurden die mani in fede im Mittelalter aber auch unten an der Ringschiene platziert, wobei der Ringkopf mit einem Schmuck- oder Edelstein in Cabochonschliff verziert wurde.
Abb. 05: Kollektion TN: Mittelalter, 13.-15. Jh., Bronze ehem. vergoldet. Der Ringkopf besteht aus den beiden ineinanderliegenden rechten Hände. Dieser alt-römische Entwurf wurde spätestens im 12. Jahrhundert als Freundschafts- und Liebessymbol wiederbelebt. Die Manschetten sind mit schlichten Gravuren verziert. Die preiswertere vergoldete Bronze, die hier verwendet wurde, deutet darauf hin, dass das Motiv auch von denen mit bescheideneren Mitteln gerne übernommen wurde.
Jüngste Ausgrabungen zeigen die Vielfalt der spätmittelalterlichen Formensprache: Die zwei Hände sind zum Beispiel behandschuht oder beringt. Zusätzlich bezeugten Inschriften in geschwärzten Lettern (meist in der Lombardischen Majuskel) nicht nur die Liebe, sondern auch den religiösen christlichen Glauben. Diese Liebes-Mottos wurden posies genannt, abgeleitet von der französischen poésie, Dichtung, Verskunst, Minnesang. Im 15. Jahrhundert waren diese posies hauptsächlich auf Französisch, welches die universelle Sprache der Liebe war. Es ist anzunehmen, dass die Trägerin oder der Träger eines Posy-Ringes lesen und schreiben konnte und des Französischen mächtig war. Bis heute bezeichnen wir einen Motto-Ring als Posy-Ring. Die burgundische Hofhaltung mitsamt ihrer erlesenen Goldschmiedekunst wurde für ganz Europa zum Vorbild. Von grosser Wichtigkeit war die Innovation des Körperemails in Limoges. Diese Erfindung ermöglichte miniaturhaft feine, bildliche Darstellungen aufgetragen mit dem Pinsel, oder das Bemalen von gewölbten Flächen und gegossenen oder getriebenen Ornamenten wie den mani in fede.
Die frühesten mir bekannten Gimmel-Ringe stammen ebenfalls aus dem Mittelalter. Der Begriff leitet sich vom Lateinischen gemellus, Zwilling ab. Beim Gimmel-Ring teilt sich die Ringschiene in mehrere schmale Reifen, die einzeln beweglich, jedoch untrennbar miteinander verbunden sind und nur zusammen den Ring ergeben. Erst wenn die beiden Ringschienen geschlossen sind, verbinden sich die zwei rechten Hände. Der Gimmel-Ring ist ein wunderschönes Sinnbild für zwei Liebende, jeder frei und unabhängig und doch nur zusammen ein Ganzes ergebend, Seite an Seite gemeinsam das Leben durchschreitend. Bereits Ende des Mittelalters erfreute sich der Gimmel-Ring grosser Beliebtheit. Leider sind diese handwerklichen Schönheiten des Spätmittelalters im Schmuckhandel selten zu finden (Abb. 06).
Abb. 06: Kollektion TN: Mittelalter, 13.-15. Jh., Silber ehem. vergoldet. Gimmel-Ring. Hier sind zwei Ringschienen mit einer komplizierten raffinierten Drehverbindung miteinander verflochten und zeigen die Kreativität der spätmittelalterlichen Goldschmiede. Zusätzlich weisen die Ringschienen eine einfache schmückende Gravur auf und die Händchen sind mit Manschetten in Tulpenform verziert, deren bekannteste Bedeutung die vollkommene tiefe Liebe ist.
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