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Renaissance, Manierismus und 17. Jahrhundert

Abbildung 7

Abb. 07: Kollektion TN: Aus England, Tudorzeit, 15.-16. Jh., Silber. Die Rückbesinnung auf die griechische und römische Antike beeinflusste praktisch jeden Lebensbereich des Menschen in der Renaissance, auch die Schmuckgestaltung.

In der Renaissance wurde das Fede-Symbol verfeinert, im wahrsten Sinne ausgefeilt. Die Gestaltungsmittel wurden persönlicher, der Ausdruck individueller, die Verzierungen reicher, Ornamente wurden vermehrt mit Emaille ausgefüllt und Inschriften wurden privater. Die Doppelreifen eines Gimmel-Rings trugen nun oft die Namen des jeweiligen Paares mitsamt einem Zitat aus der Bibel, welches an die Unauflöslichkeit der christlichen Ehe erinnerte. Äusserst beliebt war der lateinische Leitspruch: Quod ergo Deus coniunxit homo non separet – "Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden." (Evangelium nach Matthäus, IXX, 6.)

Als Martin Luther 1525 seine Katharina von Bora in Wittenberg heiratete, erhielt er offenbar einen Gimmel-Ring zum Geschenk. Ein unbekannter Verfasser schrieb 1872 über die Trauung Luthers in der "Gartenlaube. Illustrirtes Familienblatt" (Heft 13, S. 205-207): "Unter den sonstigen Geschenken sind am bemerkenswerthesten zwei Eheringe, welche der Nürnberger Rathsherr Wilibald Pirckheimer von dem berühmten Goldschmied Albrecht Dürer hatte arbeiten lassen. Der Ring Luther’s ist mit einem Diamanten und einem Rubin, den Sinnbildern der Treue und der Liebe, geschmückt und enthält ausser den Buchstaben M. L. D. die Worte: WAS. GOT. ZU. SAMEN. FIEGET. SOL. KEIN. MENSCH. SCHEIDEN. Der andere, welchen Katharina getragen, hat oben einen in einen runden kegelförmigen Kasten gefassten, ziemlich grossen Rubin und besteht aus einem Haupt- und zwei Nebenreifen, die fest miteinander verbunden und ringsherum mit Vorstellungen aus der Leidensgeschichte Jesu in durchbrochener und erhabener Arbeit verziert sind." Beide Eheringe, von keinem geringeren als Albrecht Dürer entworfen, sind heute leider verschollen. Martin Luthers Ehering war wahrscheinlich ein Gimmel-Ring, dessen eine Ringschiene einen Diamanten im Ringkopf trug, die zweite einen Rubin, beide im zeittypischen Tafelschliff. Die ineinandergreifenden Schienen zeigten das Ehe-Motto auf Deutsch erst in geöffnetem Zustand. Gut möglich, dass die Edelsteine von zwei reliefierten Händen, den mani in fede, gehalten wurden, wie das an einem exklusiven Trauring aus der Alice und Louis Koch-Stiftung im Landesmuseum Zürich zu sehen ist ("Ehering mit Schmucksteinen und Inschriften, um 1590-1600"). Eine Rekonstruktion aus dem 19. Jahrhundert von Katharina Boras Ehering befindet sich im Schmuckmuseum Pforzheim. Diese Nachbildung wurde vermutlich nach den Forschungsergebnissen und Skizzen aus der "Gartenlaube" gefertigt. Ihr Ehering bestand demzufolge aus drei Reifen, war aber offensichtlich kein Gimmel-Ring: "Die drei Reifen sind fest miteinander verbunden, und keineswegs auseinander zu nehmen. Inwendig im Hauptreife stehen ausgeschrieben die Namen der Verlobten, und innerhalb des Nebenreifes, mit kleiner Schrift, der 13. Juni 1525. Dieses ist das Datum der Verlobung und Verheirathung zugleich." (Die Gartenlaube, 1872. Luther’s Trauring, Heft 40, S. 667.)

Die Liebes-Mottos und Ehegelübde waren nun meist für Aussenstehende unsichtbar, innen an der Ringschiene angebracht, und somit dem Träger oder der Trägerin möglichst nahe. Die Wahlsprüche waren oft zärtliche, intime Botschaften und nur für das Auge der Geliebten bestimmt. Sie drückten starke persönliche Gefühle aus. 
Von William Shakespeare, der den Geschmack des zeitgenössischen Publikums traf, können wir heute Rückschlüsse auf die damalige Mode, die Gepflogenheiten und Bräuche ziehen. Deshalb sei er an dieser Stelle einige Male zitiert. Er verwies auf die Beliebtheit des Gimmel-Rings, als er Emilia zu Desdemona sagen lässt: "Marry, I would not do such a thing for a joint-ring". (Otello, IV, 3.) Selbst für einen Gimmel-Ring würde Emilia nicht heiraten.

Im "Kaufmann von Venedig" spielte Shakespeare auf die populären geheimen Liebesbotschaften in Fingerringen an: Nerissa ist äusserst wütend auf Graziano, als sie entdeckt, dass er sich von dem Posy-Ring getrennt hat, den sie ihm geschenkt hatte mit der Inschrift Love me, and leave me not, "Liebe mich, und verlass mich nicht": "Was redet Ihr vom Denkspruch und dem Wert? Ihr schwurt mir, da ich ihn Euch gab, Ihr wolltet ihn tragen bis zu Eurer Todesstunde. Er sollte selbst im Sarge mit Euch ruhn." (V, 1.) 
Während Ohrgehänge und Armbänder in der Renaissance eine untergeordnete Rolle spielten, zogen die Fingerringe nebst den grossen Halsketten die ganze Aufmerksamkeit auf sich. Gerne stapelte derjenige, der es sich leisten konnte, gleich mehrere Ringe an einen Finger. Fingerringe als Freundschafts- und Liebespfand zu verschenken, scheint äusserst beliebt gewesen zu sein. In Shakespeares "Kaufmann" kommen gleich drei solcher Liebesgaben vor, die den Betroffenen sehr am Herzen liegen. So ist Shylock verzweifelt, als er erfährt, dass seine Tochter den Ring seiner verstorbenen Frau gegen einen Affen eingetauscht hat: "Es war mein Türkis, ich bekam ihn von Lea, als ich noch Junggeselle war; ich hätte ihn nicht für einen Wald voll Affen weggegeben." (III, 1.) Und das ganze Stück endet mit den Worten Grazianos: "Gut! Lebenslang hüt ich kein ander Ding, mit solchen Ängsten, als Nerissas Ring." (V, 1.) Die emotionale Bedeutung der Liebesringe ist nicht zu übersehen.

Eine raffinierte Erweiterung war der Gimmel-Ring mit drei Ringschienen, die mit einem komplizierten Drehschraub-Mechanismus miteinander verflochten waren – dieser Ringtypus müsste eigentlich "Drillings-Ring" heissen. Die eine Ringschiene hielt die eine rechte Hand, eine Ringschiene hielt die zweite rechte Hand und die mittlere Ringschiene zierten ein oder zwei Herzen. Erst geschlossen verbanden sich die beiden Hände und umfassten die Herzen. Ein wunderschönes Beispiel, um 1575 entstanden, befindet sich im Victoria & Albert Museum in London. 

Die Kombination von Hand und Herz, als Verstärkung der Liebesbotschaft, wurde auch bei einer einzigen Ringschiene immer verbreiteter. Den Ringkopf bildeten dabei zwei rechte Hände, welche ein Herz fest umschlossen. Shakespeare nahm auch dieses beliebte, allgemein verständliche und romantische Bild von Herz und Hand in seinem "Sturm" auf, als nämlich Ferdinand schwört,  "Hier habt Ihr meine Hand", und Miranda antwortet, "Und Ihr die meine, mit meinem Herzen drin." (III, 1.)

Etwa ab Mitte des 17. Jahrhunderts entwickelten sich ganze Schmucksets, die Paruren, mehrere aufeinander abgestimmte Schmuckstücke, bestehend aus Collier, Armbändern, Ohrgehängen, Broschen und - im höfischen Kontext – einem Diadem. Der Fingerring allerdings, der traditionell mit einer persönlichen Assoziation oder Funktion belegt war, gehörte nie zu einer Parure.

Als symbolisches Zeichen für die unsterbliche Liebe, respektive für den ewigen Bund, blieb es bis in die Neuzeit üblich, bei der Hochzeit einen Ring auszutauschen. Wer es sich leisten konnte, liess diesen mit einem teuren Edelstein besetzen. Hatten diese Ringe keine Inschriften, ist es heute unmöglich diese mit ihrem ursprünglichen Zweck in Verbindung zu setzen. Aber die eindeutig erkennbaren, zeitlosen Bildzeichen wie Herzen, Liebesknoten, Gimmel-Ringe und mani in fede blieben in Mode. Der Ehering war für die meisten Frauen ihr wertvollster Besitz, sozusagen ihre Lebensversicherung, dessen Verlust einer Katastrophe gleichkam. Obwohl sich viele Ehefrauen dafür entschieden, mit ihrem Ehering begraben zu werden, vererbten andere ihn ihren Nachkommen, sodass er über mehrere Generationen weitergetragen wurde. Es war nicht reglementiert, an welchem Finger der Ehering angesteckt wurde, was die auffälligen Grössenunterschiede dieser Ringe erklären könnte. Überhaupt waren unsere Vorfahren äusserst unkompliziert, wenn es darum ging, wo der Ehering getragen werden sollte: Ein weitverbreiteter Brauch war, die Ringe an einem seidenen oder samtenen schwarzen Band um das Handgelenk oder den Hals zu tragen, somit konnte der geschenkte und vererbte Ring auch dann getragen werden, wenn er an keinen Finger passte. Warum diese schöne Gepflogenheit nicht wieder aufnehmen?

Abbildung 8

Abb. 08: Kollektion TN: Ende 17. Jahrhundert, Gold. Dieser noble massive Goldring könnte als Wertanlage oder als Vorsorge bei einer Witwenschaft gedient haben. Die eine Hand ist elegant beringt und beide Handgelenke zieren Spitzenmanschetten, sogen. Handkrausen, wie sie ab der zweiten Hälfte des 16. und im 17. Jahrhundert gross in Mode waren.

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